02.11.2023
Guten Tag Herr Dunkel, Sie leiten seit 2021 das neu gegründete Mobilitätsreferat der Landeshauptstadt München. Was macht das Mobilitätsreferat genau und was waren die Gründe sich neu aufzustellen?
Das Mobilitätsreferat wurde angesichts der Notwendigkeit, die Verkehrswende in München zu forcieren, im Januar 2021 gegründet. In dem neuen Referat sollten die Kompetenzen für die Planung und Steuerung der Mobilität in der Landeshauptstadt München, die zuvor in den verschiedensten Referaten lagen, in einer Einheit gebündelt werden. Heute ist das Mobilitätsreferat zentraler Ansprechpartner für alle Belange der Mobilität und des Verkehrs in München.
Und was genau sind Ihre Aufgaben als Leiter des Mobilitätsreferates?
Aufgabe des Mobilitätsreferats ist es, den Prozess des Mobilitätswandels zu gestalten, das notwendige Gesamtkonzept zu entwickeln und integrierte Maßnahmenkataloge umzusetzen.
Das beschreibt auch meine Aufgabe als Leiter des Mobilitätsreferats ganz gut. Ich gebe sozusagen den Rahmen und die Richtung unserer täglichen Arbeit vor. Einen Rahmen, den ich mit der Politik abstimme. Ich vermittle zwischen Fachebene und Politik, bringe die verschiedenen Themenbereiche für eine Gesamtstrategie zusammen – und stehe für unsere Ziele öffentlich ein.
Spannend! Und was macht das Mobilitätsreferat bzw. die Stadt München im Bereich der Verkehrstelematik?
Besonders gerne arbeiten wir in Projekten, die den realen Bezug zur Umsetzung haben. D.h. Planungen, die dann als reales telematisches System aufgebaut werden und in den Regelbetrieb geführt werden sind besonders spannend; sei es die Umsetzung von Verkehrsbeeinflussungsanlagen auf dem hochrangigen Straßennetz, kommunale Parkleitsysteme oder, wie jüngst realisiert, hochgenaue, moderne und zukunftsweisende KI-Verkehrsdetektionssysteme mit wissenschaftlichen Ansatz.
Alles klar! Worauf ist denn das Mobilitätsreferat besonders stolz?
Die Stadt München bzw. das Mobilitätsreferat ist in diesem Bereich sehr aktiv.
Stolz sind wir zum Beispiel auf unsere Eigenentwicklung „LAPW“, die sich seit dem Jahr 2020 erfolgreich im Betrieb befindet. Diese lastabhängige Signalprogrammauswahl wählt automatisiert und regelbasiert Signalprogramme oder Strategieschaltungen an Ampeln aus, um sie dynamisch an die jeweils vorherrschende Verkehrssituation durch Auswertung von Verkehrsdaten anzupassen.
Außerdem haben wir eine ÖPNV-Beschleunigung an 808 von gesamt 1.142 Ampeln. Auch in unserem Forschungsprojekt „Minga“, das noch bis Ende 2025 durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) gefördert wird, wird an der Digitalisierung der Bevorrechtigung gearbeitet, um zum Beispiel bedarfsgerechtere und qualitätsoptimierte Anmeldungen von ÖPNV-Fahrzeugen zu erreichen.
In einem anderen Forschungsprojekt „TEMPUS“ beschäftigen wir uns mit der Kommunikation von Fahrzeug und Infrastruktur zur Unterstützung automatisierter Fahrfunktionen und vernetzter Mobilität. Zur Verbesserung des Verkehrsflusses testen wir in diesem Projekt auch einen Ampelphasenassistent für den Individual- und den Radverkehr sowie eine digitale Objektklassifizierung an Ampeln. Hier werden Geschwindigkeiten und Bewegungsbahnen aller Verkehrsteilnehmenden errechnet und am Beispiel eines virtuellen Abbiegeassistenten erprobt. Denkbar sind mit diesem Ansatz aber auch Grünzeitverlängerungen für mobilitätseingeschränkte Personen, Schülergruppen oder für Radfahrende.
Im Projekt SATURN arbeiten wir an digitalen Verkehrsstrategien, bei der kommunale Informationen – wie Baustellen, Tunnelsperrungen, Parkrauminformationen oder Informationen zu Großveranstaltungen – direkt über die Navigationsgeräte ausgespielt werden sollen.
Daneben beschäftigen wir uns aber auch mit der Beschleunigung von Einsatzfahrzeugen der Feuerwache 10 in Richtung der Wasserburger Landstraße. Damit die Feuerwehr die vorgegebenen Einsatzgrundzeiten einhalten kann, kommen hier die Einrichtungen zur ÖPNV-Beschleunigung zum Einsatz. Noch in diesem Jahr soll es erste Testfahrten geben.
1.047 unserer Ampeln in München sind „intelligent“ durch verkehrsabhängige, aufwendig maßgeschneiderte Signalprogramme.
In der Verkehrsleitzentrale München wird das Verkehrsleitsystem München Nord betrieben und gesteuert, das Verkehrs- und Parkleitsystem Allianz Arena durch die Verkehrsleitzentrale München im dortigen Verkehrsleitstand. Betrieb und Steuerung der Verkehrstelematik in den Münchener Straßentunnel und – wenn nötig – der Einsatz von Notfallstrategien erfolgt durch die Verkehrsleitzentrale München.
Für Radfahrende gibt es bisher fünf grüne Wellen an den Münchner Ampeln. Neu lassen wir dabei die Topographie wie Steigungen oder Gefälle einfließen, um die Progressionsgeschwindigkeit – also die Geschwindigkeit, die man fahren muss, um jede Ampel in ihrer Grünphase zu erreichen – zu ermitteln. Außerdem haben wir Restgrünzeitzähler und eine Voranmeldung für Radfahrende mit verkehrsmengenabhängiger Erhöhung der Grünzeit für Radfahrende auf dem Radweg an der Fußgängerschutzanlage Milbertshofener Straße / Christoph-von-Gluck-Platz.
Dem Thema zu Fuß Gehende wollen wir uns außerdem – voraussichtlich im nächsten Jahr – in einem Pilotprojekt zum Einsatz von Schutzzeit-Countdownzählern widmen. In einem anderen Projekt wollen wir uns außerdem intensiv mit der gezielten Berücksichtigung mobilitätseingeschränkter Personen an Ampeln beschäftigen – also zum Beispiel mit automatisierten Querungsanforderungen, einer Verlängerung der Grünzeit oder automatischem Aktivieren der Zusatzeinrichtungen für Blinde und Sehbehinderte.
Und was ist Ihre Motivation, Mitglied bei der ITS Bavaria zu sein?
Die ITS Bavaria ist für uns das lokale Netzwerk für Verkehrssteuerung und Verkehrstechnik.
Aus den verschiedensten Gründen:
Natürlich profitieren wir vom Erfahrungsaustausch innerhalb der ITS Bavaria auf allen Gebieten des sehr dynamischen Aufgabenfelds. Daneben nutzen wir das Netzwerk, um über politische Entwicklungen, neue Konzepte sowie Dienste und Produkte zu informieren und informiert zu werden.
Auch die Möglichkeit, unsere Ausschreibungen und Stellenausschreibungen über die ITS Bavaria zu verbreiten und so über das Netzwerk relativ direkt kompetente Expert*innen anzusprechen, ist ein Grund für unser Engagement.
Nicht zuletzt schätzen wir die über die Jahre innerhalb des Netzwerks entstehenden zwischenmenschlichen Vertrauensnetzwerke, die für uns die Basis jeder Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand, Industrie, Berater*innen, Wissenschaft und Verbänden ausmacht.