31.08.2021
Bargeldlos, einfach und sicher – so soll modernes Ticketing im ÖPNV funktionieren. Fahrgäste wollen vorab keine komplexen Tarifsysteme studieren, um herauszufinden, wie sie am schnellsten und am preisgünstigsten zum Ziel kommen. Die Digitalisierung und entsprechende Apps bieten ÖPNV-Nutzern genau diese Freiheiten: Einsteigen, aussteigen, und am Ende des Monats den besten Preis bezahlen. Die Münchner Firma MENTZ GmbH, seit Jahren Mitglied beim ITS Bavaria, entwickelt verschiedene elektronische Ticketing-Lösungen. Je nach Bedarf können Verkehrsverbünde und -unternehmen gewählte Softwaremodule des Münchner IT-Unternehmens in ihre App integrieren lassen. Das gemeinsame Ziel ist es, ÖPNV-Nutzung als nachhaltige Mobilitätsalternative bequemer und niederschwelliger zu machen.
Welche eTicketing Systeme gibt es?
Klassische eTicketing-Systeme fassen mehrere Tarifsysteme in einer App zusammen. Der Fahrgast wählt seine Fahrtroute und bezahlt in der Regel online und kontaktlos, zum Beispiel über seine vorher hinterlegten Kreditkartendaten, via PayPal oder Bankeinzug. Die verschiedenen Ticketsortimente der einzelnen Mobilitätsanbieter sind über Daten-Schnittstellen an die App angebunden, können also im Backend einfach ergänzt und angepasst werden, ohne dass der Fahrgast die komplette App neu installieren müsste. Besonders praktisch: Verschiedene und komplexe Tarifsysteme muss der Fahrgast beim eTicketing nicht kennen. Die App berechnet automatisch den Gesamtpreis für eine gewählte Route.
Für einen großen Kunden in Nordrhein-Westfalen hat die Münchner IT-Schmiede MENTZ das smarte nextTicket System entwickelt. Ganz praktisch betrachtet funktioniert eine nextTicket-Fahrt von A nach B dann folgendermaßen: Im Frontend, also auf dem Handy, wählt der Fahrgast per Fingertipp lediglich die Haltestelle aus, an der er gerade losfahren will, und aktiviert dann den Einstieg bzw. den „Check-In“ (Abb. 1). Natürlich können in einem weiteren Schritt zusätzliche Personen, Kinder oder Fahrräder hinzugebucht werden (Abb. 2). Der Fahrgast bekommt als Fahrschein eine Fahrtberechtigung mit kontrollierbarem QR-Code nach VDV Kernapplikation (Abb. 3). An der Zielhaltestelle angekommen kann der Fahrgast dann in der App „Check-Out“ wählen. Der Ticketpreis berechnet sich hier aus einem Grundpreis und einem Fahrpreis, der sich seinerseits nach gereisten Luftlinienkilometern zusammensetzt. Die Abrechnung des Tickets erfolgt dann im Hintergrund über einen externen Abrechnungsdienstleister. So werden Bankdaten und personenbezogene Daten nicht beim Mobilitätsanbieter gespeichert, was den Schutz der eigenen Nutzungsdaten verbessert. Weil der Fahrgast hier noch manuell ein- und auschecken muss, laufen solche Ticketingsysteme unter dem Fachbegriff Check-In/Check-Out bzw. CiCo.
CiBo ist das smarte eTicket der Zukunft
Die beim nextTicket gewonnenen Erfahrungen fließen nun auch in das Projekt „Big Bird“ ein. Erstmals in Deutschland wird dabei ein eTarif im regulären ÖPNV-Betrieb angeboten. Ziel ist es, digitale und barrierefreie Mobilitätsketten bereitzustellen und dazu landesweite Kompatibilität sicherzustellen – am Ende steht ein landesweiter ÖPNV-Tarif.
Viele verschiedene Projektpartner bringen hierfür ihre Fachkompetenz an den Tisch, auch das Land NRW fördert das digitale Ticketing-Modellprojekt. Big Bird soll wichtige Erkenntnisse für die eTarif-Synchronisation in ganz NRW liefern. Bei Big Bird kommt eine Weiterentwicklung des CiCo-Systems zum Einsatz: MENTZ ist mit einer eigenen Check-In/Be-Out (CiBo) Lösung einen Schritt weiter gegangen. Das noch modernere CiBo-System kann die Zielhaltestelle automatisch erkennen. Der Fahrgast muss lediglich mit der passenden App in den Bus oder Zug einchecken. Der Check-Out wird dann automatisch erkannt. Denn jeder Bahnsteig bildet einen eigenen „Fangbereich“, der an die App gemeldet wird, und die GPS-Ortung ermittelt, an welchem dieser Bereiche die Fahrt erkannt wurde. Bereits in der App wird eine Haltestellenfolge ermittelt, die an jedem Bereich die Ankunft festhält. Diese Folge wird beim Ausstieg bzw. Check-Out an das CiBo-Backend von MENTZ übermittelt. Das Backend berechnet dann mit Hilfe des aktuellen Fahrplans und ergänzt um Echtzeitdaten die durchgeführte Fahrt und das Fahrpreismodul den Preis nach dem gültigen Tarif. Zunächst werden nur Einzelfahrt-Tickets berechnet und an das für die spätere Abrechnung zuständige Hintergrundsystem gemeldet. Für den endgültigen Preis ist ein weiterer Berechnungsschritt nötig. Das System berechnet dann im Nachhinein, ob der Fahrgast mit einem Einzelticket, einer Mehrfachkarte oder einer Monatskarte am günstigsten fährt und berechnet den für den Kunden günstigsten Preis. So können Mobilitätsanbieter mit einer Bestpreis-Garantie werben.
Beim sogenannten „kontextbasiertem Ticketing“ können vorhandene Zeitkarten (z.B. Monatstickets) im Profil des Appnutzers hinterlegt werden. CiBo erkennt die Gültigkeit solcher Zeitkarten und berechnet nur den Anteil der Fahrt, der über die räumliche Gültigkeit der Zeitkarte hinausgeht. Für Fahrgäste wird der ÖPNV so zur bequemen Alternative zum Individualverkehr.
Multimodale Ticketingsysteme für bessere ÖPNV-Anbindung
ÖPV-Anbieter müssen sogenannte „multimodale“ Reiseketten anbieten und Carsharing, eScooter und Leihfahrräder in ihre Ticketingsysteme einbinden. Tarifsysteme werden dadurch immer komplexer, sie bestehen aus vielen beweglichen Teilen. Das gilt vor allem, wenn die Fahrt durch verschiedene Tarifzonen und sogar Verbünde führt oder Abfahrt und Ankunft in ländlichen Gegenden liegen. Das von MENTZ entwickelte CiBo System verbindet viele Vorteile: Für Kunden wird die ÖV-Nutzung attraktiver, sie müssen keine Tarifkenntnisse besitzen, sondern nur einsteigen und losfahren – einfacher geht es nicht.
Bei vielen Unternehmen ist regional flächendeckendes, integriertes Ticketing weiter im Kommen, denn es ist wirtschaftlicher und setzt auf diese Weise Ressourcen für andere Projekte frei.
Die Digitalisierung hat während der Covid-Pandemie an Fahrt aufgenommen, kontaktlose Bezahlsysteme, die sonst vielleicht noch Jahre auf ihre Implementierung gewartet hätten, wurden zuletzt innerhalb weniger Monate umgesetzt. Digitalisierungsinitiativen werden daher CiBo-Systeme weiter nach vorne bringen.
Quelle: MENTZ GmbH
Bildquelle: MENTZ GmbH