20.11.2018
Wir stehen heute vor der größten Mobilitätsrevolution seit der Erfindung des Automobils. Neue Antriebe, automatisiertes Fahren, Vernetzung des Verkehrs und neue Angebote wie Shared Mobility verändern die Mobilität in den kommenden fünf bis zehn Jahren schneller als in allen Jahrzehnten zuvor. In der Forumsveranstaltung am 15.Juni 2018 wurde in diesem Kontext mit „Mobility as a Service (MaaS)“ ein Thema beleuchtet, dessen Bedeutung durch die rasant zunehmende Digitalisierung unserer Gesellschaft forciert wird, durch das bisherige Grenzen verschwinden.
Einzelne Anbieter von Verkehrsmitteln stehen im Hintergrund, wenn Mobilitätsangebote als Dienstleistung für eine komplette Weg- oder Transportkette verstanden werden. Der eigentliche Nutzer dieser Dienstleistung steht im Mittelpunkt, um seinen individuellen Bedürfnissen angepasste Mobilitätslösungen zu nutzen. Das bedeutet, dass bei MaaS ein einfacher Zugang zu den optimalen Verkehrsmitteln entlang einer Wege- oder Transportkette und die Versorgung dieser mit validen Informationen und Buchungen wesentliche Bausteine für den kundenbezogenen Komplettservice sind. MaaS ist dabei nicht auf die Mobilitätsbedürfnisse im Personenverkehr beschränkt, der Ansatz umfasst auch den Güterverkehr, speziell in Ballungsräumen.
Mit MaaS werden das Teilen und gemeinsame Nutzen von Verkehrsmitteln gefördert, der Besitz steht nicht im Vordergrund. Folglich beschleunigen eine Vielzahl innovativer neuer Mobilitätsservices wie Ridesharing, Bikesharing, Carpooling oder Carsharing diesen Wandel. Mit integrierten Buchungs- und Bezahlfunktionen innerhalb MaaS wird die Etablierung von Mobilitätslösungen unter Nutzung verschiedener Verkehrsmittel in nahtlosen Wege- oder Transportketten gefördert. In diesem Zusammenhang erlangt das Block Chain Prinzip eine besondere Bedeutung, da die Transaktionen zwischen den an einer Wege- oder Transportkette beteiligten Anbietern der Verkehrsmittel diesem Prinzip einvernehmlich und für den Nutzenden transparent dokumentiert werden.
Unser Vorstandsmitglied Herr Dr. Gerhard Listl begrüßte die 60 Teilnehmer des Forums und führte durch das Programm, welches vier Vorträge und eine abschließende Podiumsdiskussion umfasste.
Herr Prof. Dr. Florian Matthes von der TU München ging in seinem Beitrag auf die digitale Transformation als treibende Kraft für die Veränderungen bei den Formen von Mobilitätsdienstleistungen ein. Durch technologische Trends werden grundsätzlich neue Lösungen ermöglicht. In zunehmendem Maße können sich dadurch von den eigentlichen Betreibern eines Systems und Herstellern der hier erforderlichen Komponenten unabhängige Akteure etablieren, die die Sichtweise eines mobilen Menschen auf alle Systeme im Bereich der Mobilität in der Vordergrund stellen: Ein System von Mobilitätsdienstleistungen wird in eine nutzerbezogene Dienstleistung integriert. Dabei treten die Systemgrenzen für den Nutzer in den Hintergrund. Auf einem digitalen Marktplatz können aus den einzelnen Systemen die notwendigen Informationen bereitgestellt werden und nach spezifischen Nutzeranforderungen für die Deckung von individuellen Mobilitätsbedürfnissen genutzt werden. Herr Prof. Matthes erläuterte hierzu auch, dass sich durch die Blockchain-Technologie dieses Zusammenwirken nicht nur auf die reine Information beschränkt, sondern auch Transaktionen für die Inanspruchnahme von Dienstleistungen in den einzelnen Systemen abgewickelt werden können.
Herr Timo Maibach von Teradata GmbH fokussierte in seinem Vortrag auf die besondere Rolle der Digitalisierung und der Datenanalyse bei der Etablierung von MaaS. Erst mit der Digitalisierung können Vorgänge automatisiert werden. Mit der Automatisierung wiederum stehen Daten zur Verfügung, die im Rahmen Ihrer Analyse zur Optimierung der Vorgänge genutzt werden können. Übertragen auf den Mobilitätssektor bedeutet dies, dass einzelne Systeme einen zertifizierten Dateninput an ein „Big Data Analyse Ecosystem“ übergeben und hier weitergehende Informationen durch eine holistische Sichtweise abgeleitet werden, die in einer übergreifenden Datenplattform für MaaS bereitgestellt werden. Auf dieser Plattform können Services entwickelt werden, die wegen des breiten Spektrums von Daten und Ihrer Vernetzung tatsächlich individuelle Lösungen für die Deckung von Mobilitätsbedürfnissen eines Nutzers ermöglichen und ihn in den Mittelpunkt der Betrachtungsweise stellen. Zudem stehen hier aus dem sog. Kundenlebenszyklus nutzerspezifisch Daten zu Verhaltensweisen zur Verfügung, die für die laufende Optimierung der Dienstleistungen genutzt werden können.
Herr Dr. Jörg Monschau von Mercedes-Benz Consulting GmbH stellte die infolge der Digitalisierung geänderten Verhaltensweisen in den Vordergrund und skizzierte ihren Einfluss auf die urbanen Räume. Das Mobilitätsverhalten des einzelnen Individuums wird durch die Verlagerung von Vorgängen in die digitale Welt, bspw. durch den Onlinehandel oder durch das eGovernment verändert. Die Qualität dieser Dienstleistungen selbst wird zukünftig der wesentliche Aspekt sein, um die Nutzer zu überzeugen. Daneben werden Mobilitätsangebote in wachsendem Maße als eine Komponente für diese Dienstleistungen gesehen. Mit dieser Kommodifizierung von Mobilitätsangeboten werden die Nutzungsdauer eines Verkehrsmittels und ihre Ausgestaltung mit Dienstleistungen deutlich an Bedeutung gewinnen. Der Autobesitz wird in den Hintergrund rücken, auch forciert durch die knappen Platzressorucen in urbanen Räumen. Die Transportleistung selbst wird dagegen an Bedeutung gewinnen.
Für Herrn Björn N. Siebert von Door2DoorGmbH ist die Kombination der Individualität des Pkws und der Zugänglichkeit des Nahverkehrs in Ridesharing ein wesentlicher Baustein für die Veränderungen im Mobilitätsverhalten. Die Digitalisierung ermöglicht ein optimales Zuschneiden des Angebotes bei dieser Dienstleistung auf die Nachfrage, indem eingehende Nutzerwünsche laufend in den Prozess der Systemoptimierung des Fahrzeugpools (On-Demand Ridesharing) integriert werden. Somit kann zum einen auf schwankende Nachfragen besser reagiert werden, als das dem herkömmlichen Systeme des Nahverkehrs gelingt und die Anzahl der erforderlichen Pkw kann deutlichreduziert werden, wenn die Pkw-Fahrten in einem Ridesharing-System integriert werden.
In der anschließenden Podiumsdiskussion mit den Referenten und dem Auditorium hat sich gezeigt, dass die Beiträge der Vortragenden die Diskussionsbereitschaft angeregt haben. Es zeigte sich dabei, dass die Entwicklung, die sich durch die Veränderungen in unserer Mobilität einstellt, ganz wesentlich durch die Digitalisierung und der dadurch geförderten Mobilitätsservices geprägt sein wird.